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Graffiti: Vielen Hausbesitzern wird es zu bunt

Polizei fahndet - "Das ist Zerstörungswut"

Aachen. Der Hausmeister schüttelt den Kopf: "Zerstörungswut, reine Zerstörungswut. Sonst nichts", sagt er verärgert. Ständig ist er damit beschäftigt, Schmierereien von Hauswänden zu entfernen. Soweit das überhaupt möglich ist. Oft genug muss ein kompletter, teurer Fassadenanstrich her. Der Mann wirft einen Blick in die Straße. Kaum ein Gebäude ist verschohnt von dem, was sich selbst "Graffiti" nennt und was die Polizei als Sachbeschädigung bezeichnet. "Wir rufen mittlerweile ein bis zwei Mal pro Woche das Kommissariat an. Das ist immer schlimmer geworden", meint der Hausmeister. Rund um den HAuptbahnhof hat in den vergangenen Tagen der Farbteufel sein Unwesen getrieben. Kasinostraße, Lagerhausstraße, Römerstraße, Harscampstraße - überall Klecksereien auf den Hauswänden. Bei der Polizei haben sich aus diesem Bereich die Anzeigen gehäuft. Grund genug, einen Zeugenaufruf zu starten und den oder die Täter nochmals zu warnen: "Wenn ein Täter überführt wird, kommt nicht nur die strafrechtliche Seite auf ihn zu. Die Kosten für die Reparaturen muss er auch übernehmen. Und die sind hoch", erklärt Adolf Freh, Sprecher der Behörde. Wobei sich im Bahnhofsvirtel die zuständigen Beamten aufgrund der Vielzahl der Taten zurzeit die Hacken ablaufen. Eine besondere Ermittlungskommission hat die Polizei nicht eingerichtet. "In den einzelnen Inspektionen gibt es Kollegen, die sich um dieses Thema kümmern und entsprechende Fortbildungen haben", sagt Freh. Vor allem die "Tags" - das sind in der Fachsprache die Erkennungszeichen der Täter - interessieren die Polizei. Rund um den Bahnhof sind vor allem die Symbole "Lence", "Yea" und "Sin" zu finden. 200 Anzeigen wurden im laufenden Jahr registriert. "Im Gegensatz zu Köln oder anderen Großstädten ist das aber wenig", sagt Freh. Vom Erfolg der polizeilichen Arbeit ist nicht jeder überzeugt - zumindest subjektiv: "Die schnappen doch sowieso nie einen", meint eine Anwohnerin der Kasinostraße. Auch sie wurde dieser Tage - einmal mehr - Opfer eines Sprühers. Manches Mal habe sie versucht, der Farbe mit Nagellackentferner den Garaus zu machen. Diesmal hat ein freundlicher Nachbar mit Spezialmittel geholfen. Doch nicht selten müssen Fachleute gerufen werden. "Und am nächsten Tag ist alles wieder voll", ist die Frau wütend über den "Graffiti-Kreislauf".
Heute das Bahnhofsviertel - und wo hinterlassen die Schmierer morgen ihre (Farb-)Spur? "Anzeigen gibt es aus allen Bereichen der Stadt", weiß Freh. Wobei es eine Konzentration in der Innenstadt gebe. Was sich anhand einer kurzen Tour - Route beliebig gewählt - belegen lässt. Start an der Breslauer Straße: großes Graffito am Schwarz-Rot-Sportplatz; Stolberger Straße: fast die komplette Fassade des Ostfriedhofs ist verunstaltet; Adalbertsteinweg/Kaiserplatz: an vielen Gebäuden kleine Schmierereien, die nicht weniger Ärger machen als große; Beeckstraße: fast kein Haus und kein Graragentor ohne Graffiti; Martin-Luther-Straße: ein großes Graffito verunstaltet das Martin-Luther-Haus; Richardstraße und Harscampstraße: überall Beschädigungen der Hauswände und -türen - Schluss der Tour.
Der Hausmeister hofft unterdessen, dass die Täter entweder gefasst werden oder nicht wiederkommen - vielleicht sind es dann aber wieder andere. Bis dahin greift er zur Spezialreinigerflasche - 22 Mark das Stück - und versucht zu retten, was zu retten ist.

Quelle: Aachener Nachrichten , Mittwoch, 1. Dezember 1999